Die Pyrenäen bilden die natürliche Grenze zwischen Spanien und Frankreich und schnüren die iberische Halbinsel wie ein Gürtel vom Rest Europas ab. An einem milden Frühlingstag machen wir uns auf den Weg, um dieses Niemandsland am nördlichen Rand Kataloniens zu entdecken und um zu lernen, was endlose Weiten und absoluter Einklang mit der Natur bedeuten.
Und los geht’s!
Von Torroella de Fluvià aus fahren wir Richtung Darnius und tauchen ein in eine andere Welt. Dichte Wälder aus Korkeichen legen sich wie eine Decke über die bergige Landschaft und schmale Straßen, gesäumt von blühenden Ginstersträuchern, führen uns immer weiter hinauf in Richtung der noch vom Schnee bedeckten Gipfel.
Enge Straßen und kleine Orte
Wie ein dünner Faden zieht sich die Straße hinauf in die Höhen der Pyrenäen, umgeht zu felsiges Terrain und passiert kleine Flussläufe und Täler über Brücken, die scheinbar mit ihrem felsigen Untergrund verschmelzen. Wir kommen vorbei an Maçanet de Cabrenys und Tapis und sind in Coustouges bereits auf französischem Staatsgebiet. Wären die Straßenschilder und Aufschriften an Geschäften und Werbetafeln nicht plötzlich auf Französisch, würde man das aber gar nicht merken, denn eines haben alle diese kleinen Ortschaften gemeinsam: die Zeit scheint dort langsamer zu vergehen und dadurch auch irgendwie mehr wert zu sein. An der einen Ecke treffen sich Nachbaren auf einen kurzen Plausch, an einer anderen spielen Kinder auf dem Spielplatz miteinander und wieder einen Schritt weiter ist ein alter Mann gerade mit einem frischen Baguette auf dem Weg nach Hause. Die engen und meist steilen Gassen der Bergdörfer sind mit einem Mantel der Ruhe und Gelassenheit bedeckt. Die Häuser aus Naturstein schmiegen sich an die Hänge der Berge an und schaffen eine angenehme, behütende Atmosphäre.
Textilunternehmen mitten in den Pyrenäen
Gerade noch rechtzeitig kommen wir nach Saint-Laurent-de-Cerdans. Es ist kurz vor 12 Uhr und wir werden noch schnell in den Verkaufsraum von „Les Toiles Du Soleil“ gelassen bevor deren Mittagspause beginnt. Das traditionelle katalanische Unternehmen hoch oben in den Pyrenäen stellt seit Ende des 19. Jahrhunderts hochwertige Stoffe aus Baumwolle und Flachs her. Wir befinden uns nicht nur in der letzten Textilmanufaktur des Dorfes, sondern auch im Stoffparadies. In allen erdenklichen Farben werden die gestreiften Stoffe hier zu Kissen, Servietten, Schürzen und noch vielem mehr verarbeitet. Wer lieber selbst kreativ werden möchte, kann sich die Meterware oder Stoffreste mit nach Hause nehmen. Einen ausgiebigen Farb- und Kaufrausch später sitzen wir wieder im Auto und setzen unsere Reise fort.
Magie der Bergdörfer
Vorbei an den Dörfern Le Tech und Prats-de-Mollo-la-Preste führt uns die enge Passstraße schließlich über die Grenze zurück nach Spanien, in den Ort Espinavell. Die Häuser der Ortschaft scheinen förmlich am Berg zu kleben, so eng sind sie übereinander gebaut. Unten am Fluss, wo jedes Jahr im Herbst die Pferde von den Bergwiesen ins Tal vorbei getrieben werden, ist ein kleines Landhotel, in dem wir vorzügliche frisch gefangene Forellen essen. Nach diesem Geschmackserlebnis von Frische und Natur machen wir uns wieder auf den Weg in Richtung Molló. Dort steht, sie ist auf keinen Fall zu übersehen, eine für den überschaubaren Ort immens große romanische Kirche. Auf unserer Route schlängeln wir uns immer weiter durch die Berge, überqueren mehrere Male den Gebirgsfluss Ter, der sich ebenso wie die kleinen Straßen seinen Weg gesucht hat und kommen schließlich nach Camprodon. Ein Bild von diesem Ort, das man sicherlich nicht vergisst, ist die Rundbogenbrücke „Pont Nou“, die wie ein Holzbauklötzchen eine Verbindung zwischen den beiden Uferseiten schafft. Auch Sant Joan de les Abadesses ziert eine solche Brücke, im Gedächtnis bleibt es einem aber wohl aufgrund seines kleinen Klosters, dessen Geschichte bis ins 8. Jahrhundert zurückreicht. Zum Abschluss machen wir noch einen kurzen Abstecher nach Ripoll, mit dessen Benediktinerkloster die romanische Bauweise in Spanien Einzug erhielt. Inspiriert von der früheren Peterskirche in Rom haben sich die Mönche dort eine kleine Ruheoase geschaffen.
Zurück aus den Bergen
Mit ein paar frischen Stücken süßer Coca und vielen Eindrücken im Gepäck treten wir schließlich über Olot die Heimreise an. Langsam tauchen wir wieder ein in den lauten und schnelllebigen Alltag zu Füßen der angenehmen Ruhe, die wir hoch oben in den Bergen gefunden haben. Die Abgeschiedenheit der Dörfer, die unendlichen Weiten der Bergketten und das Gefühl, am höchsten Punkt des Passes die Wolken berühren zu können, all das lassen wir hinter uns.