Eineinhalb Monate ist es jetzt her, dass ich Deutschland verlassen habe, ein paar Tage nach meiner Ankunft hier habe ich meinen ersten Blogeintrag für das Costa Live Magazin veröffentlicht, in dem ich mich über Paella essende, Sangria trinkende Spanier, prüde Deutsche und andere Klischees lustig gemacht habe. Prompt tauchte der mahnende Zeigefinger einen Tag später in Form einer Mail im Postfach der Redaktion auf und wies mich freundlich darauf hin, dass ich bei meiner kleinen, aber verbissenen Schlacht gegen Vorurteile eine klitzekleine Sache übersehen hätte – es ist nämlich keineswegs Spanien, auf dessen Boden ich mich befinde, sondern Katalonien und somit war meinem Eintrag jeglicher Wind aus den Segeln genommen. Natürlich war mir von vorne herein klar, dass das Land in dem ich die nächsten drei Monate verbringen würde, Katalonien heißt. Genauso war mir zur Ohren gekommen, dass ich hier möglicherweise mit meinen ohnehin brüchigen Spanisch Kenntnissen auf Granit beißen würde. Dennoch muss ich zugeben, dass ich Katalonien ganz selbstverständlich als eine Ecke Spaniens angesehen habe und ich erst jetzt nach und nach von dem Gefühl beschlichen werde, hier vor einer weitaus komplexeren und schwerwiegenden Problematik zu stehen.
Am Mittwoch, den 11. September 2013, wird wie jedes Jahr der katalanische Nationalfeiertag zelebriert – nur wird es dieses Jahr etwas Besonderes sein, denn es geht den Menschen nicht nur darum, die Liebe und Verbundenheit zu Katalonien zum Ausdruck zu bringen, sondern darum, ein neues Zeichen zu setzen im Kampf um die Unabhängigkeit des Staates.
So lang und erbittert dieser Kampf sein mag, es ist gleichzeitig ein friedlicher. Deshalb werden sich am Mittwoch Menschen aus ganz Katalonien zusammen finden und sich gegenseitig die Hände reichen. 400 km lang soll die dabei entstehende Menschenkette messen und beide Grenzen des Landes verbinden – erwartet werden bis zu Zwei Millionen Teilnehmer. Doch was verbirgt sich hinter diesem Event?
Die Forderung Kataloniens nach Unabhängigkeit kommt nicht von Ungefähr. 1939 trägt Franco den Sieg im spanischen Bürgerkrieg davon und markiert damit einen Wendepunkt – sowohl die katalanische Sprache, als auch die Kultur werden für die folgenden Jahre ins Exil verbannt. Erst 1977 kann der Staat beschränkte Autonomie zurückerlangen und ihm wird eine provisorische Generalität (Regierung) zugesagt, 1980 finden die ersten freien Wahlen statt. Dennoch ist Katalonien durch zahlreiche finanzielle und politische Fesseln an die spanische Regierung in Madrid gebunden – gerade zu Krisenzeiten ein durchaus brisantes Thema. Bei der Menschenkette am Mittwoch wird es es in erster Linie nicht um regierungstechnische Forderungen gehen – es geht vor allem um die kulturelle Identität einer Nation, der diese immer wieder geraubt wurde.
Spätestens im Ausblick auf den Nationalfeiertag diese Woche fällt es auch mir leichter zu begreifen, weshalb ich hier immer wieder auf Menschen stoße, die sich lieber mit Händen und Füßen verständigen, als ein Wort Spanisch mit mir zu reden und warum der bayrische Nationaltrainer Pep Guardiola, von dem Sätze stammen wie: „Wenn wir früh aufstehen und hart arbeiten, sind wir eine unaufhaltsame Nation.“ inzwischen als Held Kataloniens gefeiert wird. Selbst meine Heimatstadt Berlin bleibt nicht unberührt von dem Zusammenhalt der katalanischen Einwohner – um 17.00 Uhr wird sich auf dem Gendarmenmarkt eine zwar weitaus kürzere, aber dafür umso solidarischere Kette zusammenfinden.
Zwar scheue ich zu einem so vielschichtigen Thema Position zu beziehen (dafür fehlt es mir dann doch an tiefergreifendem Wissen), jedoch entschuldige ich mich hiermit für all die kleinen und größeren Missgeschicke und Fettnäpfchen, in die ich schon getappt bin – das sind wahrscheinlich, noch viel mehr als Humorlosigkeit und Pünktlichkeit, die weitaus signifikanteren Erkennungsmerkmale einer Deutschen in einem fremden Land.