Paella, Sonne satt und das leichte Leben- Spanier stehen zur Mittagszeit auf, weshalb sich der ganze Tagesablauf so sehr nach hinten verschiebt, dass mit dem Abendessen meist erst angefangen wird, wenn der Rest der Welt schon im Bett liegt. Sie ernähren sich hauptsächlich von Tapas und Chorizo, trinken literweise Sangria, der normalen Menschen den Kater ihres Lebens beschert, nach jeder Anstrengung (zu der selbstverständlich auch jede Mahlzeit zählt) wird erstmal ein Stündchen Siesta gehalten.Pünktlich sind sie eigentlich nur zur Messe oder zum Stierkampf, dem jedes Wochenende laut brüllend beigewohnt wird, ohnehin ist der Lärmpegel in Spanien ungefähr dreimal so hoch wie in sämtlichen anderen Ländern dieser Welt. Des Weiteren habe ich mich darauf vorbereitet, tagtäglich braungebrannten Spaniern mit Namen Antonio oder José zu begegnen, die mir entweder hinterher pfeifen oder gleich ihre Gitarre zücken, um mich mit einem romantischen Lied zu beeindrucken.
Nein, ganz so schlimm ist es natürlich nicht und ich als Deutsche weiß selbst wie sehr Klischees nerven können (sind Spaßbremsen, tragen jeden Tag Dirndl, essen nichts als Sauerkraut, Kartoffeln und Würstchen) und wie wenig wahr sie oft sind. Dennoch, dass Spanien und Deutschland sich nicht wie eineiige Zwillinge gleichen, lässt sich nicht abstreiten und da ich drei Monate hier leben werde, habe ich die besten Voraussetzungen, um ein bisschen in die fremde Kultur zu schnuppern. Was kann ich also zu den Klischees sagen, nachdem ich jetzt eine Woche hier bin? Ich muss zugeben, dass ich bis jetzt noch keine einzige Paella gekostet habe, statt Sangria habe ich literweise Bier getrunken (was wahrscheinlich wieder typisch deutsch ist) und morgens um acht auf der Straße war ich überrascht über das rege Treiben – der Beweis, dass auch Spanier früh aufstehen können, ist also schonmal erbracht. Auch auf Antonio und José bin ich noch nicht gestoßen, die Spanier sind zwar braungebrannt, scheinen aber freundliches Begrüßen dem Pfeifen und Gitarre klimpern vorzuziehen.
An ein paar Dinge muss ich mich trotzdem erst noch gewöhnen. Dass frühestens um neun Uhr abends der Tisch gedeckt wird, kommt mir schon noch etwas schräg vor und geschlossenen Läden zur Mittagszeit finde ich nicht unbedingt praktisch. Was die Siesta sonst jedoch angeht, muss ich sagen, dass ich die Ruhe genieße, die sich jeden Tag für ein paar Stunden in der Stadt ausbreitet und die mich dazu zwingt mit der trägen Masse zu schwimmen und die Füße hochzulegen. Die andauernde Hektik und das Gefühl faul zu sein, wenn man eine Pause einlegt, hat uns Deutsche zu fest im Griff. Ohnehin scheinen die Spanier Genießer zu sein, die die tägliche Freunde mindestens genauso ernst nehmen wie ihre Arbeit. Schon mal einen Deutschen gesehen, der darauf besteht, um eins das Büro zu verlassen, um sich drei Stunden an den See zu legen? Das Spanien nicht nur aus Sonne und Strand besteht, habe ich letzte Woche zu Genüge gesehen- sobald man sich abseits der zertrampelten Touristenpfade aufhält und beispielsweise das Hinterland erkundet, stößt man auf Felslandschaften und Äcker, auf denen Apfelbäume und Sonnenblumen blühen und deren Anblick mindestens genauso viel hergibt wie der auf das Mittelmeer.
Obwohl ich erst eine Woche hier bin, hat die lockere Atmosphäre des Landes schon ein bisschen auf mich abgefärbt – vielleicht, weil ich genau die des Öfteren in Deutschland vermisse. Die Städte wirken unglaublich lebendig und bunt, der erhöhte Lautstärkepegel (ja, dieses Klischee ist definitiv wahr!) trägt zu dieser Stimmung bei. Es muss wohl an dem Wetter und Temperament der Spanier liegen- wer soviel Sonne tankt, kriegt täglich eine Überdosis Endorphine ab. Was die Klischees über die Deutschen angeht, werde ich aber auch versuchen, ein bisschen aufzuräumen – Spaß hatte ich schon jetzt jede Menge, ein Dirndl befindet sich nicht in meinem Koffer und ich habe beschlossen, meine ganze Reise ziemlich sorglos anzugehen. Oder wie der Spanier zu sagen pflegt: „No te preocupes.“