Ostern in Katalonien
– Bilder, Emotionen, Weihrauch
Bilder erzeugen Emotionen. Bilder sind einprägsam. Bilder sind wirkungsmächtige Botschaften. Die mediale Bilderflut wird von Jahr zu Jahr größer und fast schon zur Sintflut. Wer Live-Bilder liebt, oder beeindruckende Selfies vor imposanter Kulisse schießen möchte, der sollte auf keinen Fall die Semana Santa in Spanien versäumen. Die Herrscher der katholischen Kirche bedienten sich bereits im 16. Jahrhundert der Bildsprache und erfanden mit den Osterprozessionen die „Predigt in Bildern“.
Wer nicht lesen und schreiben konnte, wurde mit bewegten Bildern und durch bewegende Szenen bekehrt. Auch wenn heute die meisten Besucher der Buchstaben mächtig sind, so emotionalisiert nichts so sehr die Massen, wie mitreißende Bilder – untermalt von Trommelwirbel und Choralgesängen, umweht von einem Hauch Weihrauchparfüm. Immer wieder von neuem locken zu Ostern hunderte Bußprozessionen auch in Katalonien ihr Publikum.
Spitzen Kapuzen – prominente Würdenträger
Unter den spitzen Kapuzen verstecken sich oft prominente Würdenträger. Eine Mitgliedschaft in den Bruderschaften (Confraries) ist eine Ehre und wird meist nur vererbt. Es gilt nicht allein das Motto Reue – auch der Liebe und Hoffnung, dem Humanismus und der Nächstenliebe ist Raum geschenkt. Nach Ende der oft kilometerlangen Märsche wird auf Straßen und Plätzen getanzt, gelacht und gefeiert. Mystik und Religion paart sich mit fröhlicher Ausgelassenheit. Restaurants und Bars haben vielerorts oft bis tief in die Nacht geöffnet.
Osterprozession in Girona
Auch die Osterprozession in Girona zu Karfreitag mutet nicht mehr an wie eine düstere Geschichte aus dem Mittelalter, sondern wie ein großes barockes Volksfest.
Voller Farbenpracht und Blumenschmuck erscheint die wundervoll geschnitzte Madonna als Superstar der Nacht. Als christliche Jungfrau, Göttin und himmlische Schönheitskönigin ist sie Zentrum des Blitzlichtgewitters. Der „Paso de Christo“ gleitet – schwankend getragen von starken Männern – vorbei an der faszinierten Zuschauermenge. Die Mystik der Szenerie vor der Kulisse der wunderschönen Altstadt Gironas ist ein Erlebnis für die Sinne, das man nicht verpassen sollte.
Osterprozession in Verges
In Verges haben Gründonnerstag alle Bars die Nacht über geöffnet. Der Ort vibriert. In dem mittelalterlichen Ort zwischen Figueres und La Bisbal findet gegen Mitternacht der Totentanz „Dansa de la mort“ statt. (www.laprocesso.com) Das Spektakel stammt aus dem Jahre 1666 und zieht jährlich immer mehr Besucher in seinen Bann. Zuerst werden ab 22.00 Uhr auf dem Marktplatz des Dorfes Szenen der Leidensgeschichte Christi nachgestellt. Um Mitternacht formiert man sich zum Zug durch den Ort.
Skelettkostümierte
Angeführt durch Skelettkostümierte zieht die Prozession durch die engen Gassen von Vergès. Das skurrile Schauspiel zum Rhythmus der Trommeln gilt als eine der ältesten Manifestationen der Kirchenkunst: Tropfendes Kerzenwachs markiert den Weg der Prozession. Dumpfe Trommelschläge, Rasseln von Ketten, Peitschenhiebe – und jede Menge Zuschauer charakterisierten die Szenerie. Die Kulisse der mittelalterlichen Fassaden des Ortes unterstreicht die Dramatik. Auch hier wird anschließend noch gefeiert. Man trifft sich z.B. im Mas Pi vor der Altstadt zum gemeinsamen Umtrunk im Garten.